Was sich Tiny Houses von Wohnmobilen abschauen können (1)

 
In dieser Artikelreihe finden Sie Tipps zu den Bereichen

Innenausbau mit viel Stauraum für mobile Tiny Houses
Heizung und Warmwasserbereitung für mobile Tiny Houses
Elektrik für mobile Tiny Houses
Stromgewinnung und -speicherung für mobile Tiny Houses
Wasserversorgung für mobile Tiny Houses

 
Gastartikel von Ulrich Dolde – Wenn man sich mit der Planung, dem Bau und der Ausstattung von Tiny‐ oder Microhouses beschäftigt, dann kann es durchaus sinnvoll, sich dort Inspirationen zu holen, wo die Flächenreduktion auf die Spitze getrieben wird: in Wohnmobilen.

Ganz besonders gilt dies für Offroad‐Wohnmobile, denn hier müssen zwei nahezu unvereinbare Eigenschaften – man könnte sie fast als Gegenpole bezeichnen – zu einer Einheit verschmolzen werden: maximale Geländetauglichkeit, um die entlegensten Winkel der Welt bereisen zu können, verbunden mit dem Wunsch, möglichst viel Gemütlichkeit und Komfort ins Fahrzeug einzubauen, damit man sich am Ende der Welt auch wirklich wohl fühlt.

Was dabei herauskommt ist in der Regel eine Ein‐ bis Zweizimmerwohnung mit Küche, Bad, WC, Keller und Speicher auf acht bis zehn Quadratmetern oder anders ausgedrückt: eine eierlegende Wollmilchsau auf vier bis sechs angetriebenen Rädern. Und weil es an besagtem A… der Welt selten eine funktionierende Versorgungsinfrastruktur gibt, sollte genügend Wasser und Diesel gebunkert, genug Strom produziert und ausreichend Lebensmittel mitgeführt und gekühlt werden können, um wenigstens für ein bis zwei Wochen autark zu sein.

Derlei Herausforderungen löst man am einfachsten, indem man einen Termin bei einer der einschlägigen Expeditionsmobilschmieden vereinbart, bei Vertragsabschluss eine Anzahlung in Höhe einer Eigentumswohnung leistet und etwa ein Jahr nach Vertragsabschluss einen weiteren stattlichen Betrag mit fünf Nullen vor dem Komma entrichtet, um sich Besitzer eines Expeditions‐Lkw nennen zu können. Da dies nun mein erklärtes Ziel war, die Nullen vor dem Komma aber meine größte Herausforderung darstellten, sann ich nach Abhilfe und fand diese im Selbermachen.

So kaufte ich mir einen 20 Jahre alten, vom niederländischen Heer ausgemusterten Mercedes Allrad‐Lkw, dazu vom deutschen Heer einen sogenannten Shelter – unsere zukünftige Wohnschachtel – und begab mich an die Arbeit, von der ich zugebenermaßen keinen blassen Dunst hatte.

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Ich hatte nämlich nicht nur noch nie ein Wohnmobil ausgebaut, entstamme auch keiner handwerklichen Zunft, die mich eines Selbstausbaus befähigen würde und hatte in den vergangenen 20 Jahren kaum einen Schraubenzieher in der Hand. O.k., ich bin handwerklich nicht unbegabt, habe in jungen Jahren viel an meinen Mofas, Mopeds, Motorrädern, Autos und Wohnmobilen geschraubt und deshalb eine gewisse Affinität zu geschraubten Verbindungen. Aber ich hatte noch nie an einer Tischlerkreissäge gestanden und Elektrik war für mich schon immer ein Buch mit sieben Siegeln.

Als Kommunikations‐ und Marketing‐Stratege und Unternehmensberater gab es halt wenig Gelegenheit, sich in derlei Dingen zu üben und der Job hatte auch nie mehr den Freiraum gelassen, sich in der Freizeit derart zu betätigen. Mit nicht mehr als der Vision im Kopf und der Liebe im Herzen, unsere schöne Erde künftig mit einem selbst gebauten Expeditionsmobil zu bereisen, machte ich mich daran, mein Projekt umzusetzen. So war erst mal Kreativität gefragt, um den „Gap“ zwischen Wollen und Können zu überwinden. Ich wusste, dass ich für ungefähr 15.000 Euro Teile und Komponenten für den Ausbau meines Fahrzeugs benötigen würde, und mit diesem virtuellen Geldbündel wollte ich wedeln. Ich besuchte fünf Ausbaubetriebe im Raum München und lockte mit selbigem, wenn man mir im Gegenzug ein trockenes Hallenplätzchen gewähren würde, wo ich meine Fahrzeug weitgehend selbst, aber doch unter der Anleitung und mit der Hilfe des Betriebes ausbauen konnte.

Von vier Betrieben erhielt ich einen Korb, beim fünften wurde ich endlich fündig. Die Fa. Intercamp in Vaterstetten (heute in Anzing) im Osten von München ließ sich auf meinen Deal ein und so bezog ich Anfang Februar 2008 deren Lagerhalle und begann zu werkeln.

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Die Kabine wird für den Ausbau vorbereitet. Dazu müssen die Befestigungsschienen entfernt werden …

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Der erste Schnitt ist der schwerste: Einbau der Fenster …

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… und Einbau der Küche mit Schubladen von Ikea.

So entstand innerhalb von acht Monaten Ausbauzeit ein geländegängiges Expeditionsmobil. Und das nicht zum Preis einer ganzen Siedlungsanlage, sondern zu dem eines halbwegs ordentlich ausgestatteten Mittelklassewagens.

[Fortsetzung > Innenausbau]


Über den Gastautor

Wohnmobil-Selbstausbau_CD_ROMUlrich Dolde ist Verfasser des Buches „Wohnmobile selbst ausbauen und optimieren – 1000 Tipps und Tricks für alle Wohnmobil-Selbstausbauer und Wohnmobil-Optimierer“, welches aufgrund der fundierten, umfassenden Abhandlung aller relevanten Themen gut und gerne als „Wohnmobil-Ausbau- und Optimierungs-Bibel“ bezeichnet werden kann. Der Autor, der dank der geländegangigen Lkw-Basis seines Wohnmobils gemeinsam mit seiner Frau bevorzugt in nordafrikanischen Wüstenregionen herumkurvt, plaudert in dieser sechsteiligen Artikelserie sehr anschaulich aus dem Nähkästchen: In seinem selbst ausgebauten Wohnmobil hat er auf 8 m² alles untergebracht, was man zum Leben braucht. Und da es, gerade was die Technik in Sachen Strom-, Wasser- und Heizungsinstallation anbelangt, im Wohnmobil-Sektor eine Vielzahl von technischen Lösungen gibt, die sich auch im Tiny House anbieten, wenn nicht sogar aufdrängen, sind seine Tipps sicher auch für unsere Leser besonders wertvoll.

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