Tiny House bauen –
die Planung, das A & O
Mit etwas handwerklichem Geschick, kann man sich seinen eigenen kleinen Wohn(t)raum, ein Tiny House tatsächlich selber bauen. Der nachfolgende Beitrag aus der Schmiede von Wohnwagon ist als Leitfaden für den Start gedacht, als Übersicht über die elementaren Fragen in der Planungsphase; darüber was es alles zu beachten gibt und wie man am besten beginnt, aber auch, woher man professionelle Unterstützung bekommen kann, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß.
1. Wo soll’s lang gehen?
Nicht jedes Tiny House ist gleich und der Begriff wird oft weitläufig gefasst: Wir plädieren für eine klare Definition dessen, was ein Tiny House ist – nämlich ein Häuschen auf einem Trailer. Manche verstehen darunter selbst einen umgebauten Zirkus- oder Bauwagen, einen ausgebauten Camper oder einen Holzwohnwagen; auch ausgebaute Seecontainer werden hin und wieder als Tiny Houses bezeichnet. In all diesen Fällen geht es weniger um eine Definitionserweiterung, sondern vielmehr um eine Identifikation mit der Tiny-House-Bewegung.
Jede Form und Bauweise hat ihre Stärken und Schwächen
Anhänger mit einem Gewicht unter 3,5 Tonnen sind natürlich leichter von A nach B zu ziehen, als schwerere Exemplare, die auf einem Tieflader transportiert werden müssen.Von Nachteil ist, dass der Ausbau erhebliche Einschränkungen mit sich bingt, wenn man die „magische Grenze“ von 3,5 Tonnen einhalten muss. Auch Versorgungssysteme, die auf Autarkie ausgerichtet sind, haben bei den Leichtgewichten kaum noch eine Chance.
Container wiederum lassen sich gut transportieren und gebraucht auch günstig erwerben. Der günstige Preis begründet sich aus den Importüberschüssen aus China und Indien und den damit verbundenen überzähligen Containern, die in Europa zurückbleiben. Da es kostengünstiger ist, diese einzuschmelzen, als zurück zu schicken, kann man gebrauchte Container oftmals für einen geringen Preis erwerben. Der Nachteil ist allerdings, dass der metallische Aufbau der Container „geschlossenporig“ ist und somit kein Feuchtigkeitsausgleich durch die Wand stattfindet. Natürliche Baustoffe als Dämmmaterial einzusetzen, ist – ähnlich wie bei (Plastik-)Campern oder Kühlanhängern – aufgrund der Bauphysik nicht möglich.
Zu Beginn sollte man sich also unbedingt die Frage stellen, ob Mobilität die oberste Priorität sein oder das eigene Tiny House dafür bestimmt sein soll, Monate oder gar Jahre am selben Standort zu stehen. Und: Möchte ich autark wohnen und leben können?
2. Wie möchte ich bauen?
Sind diese Fragen geklärt, stellt sich die nächste wichtige Frage nach der Wahl der richtigen Bauweise. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die zu klärenden Punkte:
- Bauweise: Holzständerbau mit Dämmung oder Vollholz-Platten? Ganz wichtig ist es sicherzustellen, dass der Aufbau statisch funktioniert. Hierbei kann auch der Zimmerer aus der Region oder die Bauberatung von Wohnwagon (siehe letzter Punkt) weiterhelfen.
- Fahrgestell und Fundament: Was für ein Fahrgestellt steht mir zur Verfügung? Wie lautet das maximale Gesamtgewicht? Kann im Fahrgestell ein Zwischenboden integriert werden, der z.B. für Technikeinbauten genutzt wird. Wie verbinde ich das Tiny House mit dem Fahrgestell?
- Dämmung: Beabsichtige ich, das ganze Jahr im Tiny House zu wohnen? Falls ja, sind gute Dämmwerte wichtig, damit effizient geheizt werden kann. Hierfür ist der richtige Wandaufbau ganz zentral.
Da die Dämmung – nicht nur bei ganzjähriger Nutzung des Tiny Houses – ein sehr wichtiger Punkt ist, ist die Entscheidung für eine diffusionsoffene Bauweise (bspw. mit Schafwolle, Thermohanf, Stroh oder Holzweichfaserplatten als Dämmstoff) oder für eine geschlossene Bauweise (hier bietet sich Styropor oder spezielle Containerdämmung mit Kapillareffekt als Dämmstoff an) von grundlegender Bedeutung. Wo ist der „Taupunkt“ in der Wand? Könnte Kondenswasser im Wandaufbau entstehen? Zur Berechnung des U-Werts verschiedener Materialien kann es hilfreich sein, den U-Wertrechner unter www.u-wert.net zu konsultieren.
Schafwolle hat sich als Dämmstoff bei Minihäusern und Holzbauwägen sehr bewährt. Sie schützt durch ihre ausgezeichneten Dämmeigenschaften vor Kälte und Hitze und sorgt zugleich für ein gesundes Raumklima. Schafwolle kann sogar Schadstoffe in der Luft abbauen. Auch die Feuchtigkeit im Raum kann durch Schafwolle reguliert werden. Ohne ihre Dämmeigenschaften zu verändern, kann sie bis zu 30% des Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen. Auch der ökologische Aspekt ist nicht zu vernachlässigen. Der nachwachsende Rohstoff ist in der Herstellung sehr energieeffizient und auch die Entsorgung ist einfach und umweltfreundlich. Bei allen losen Dämmstoffen muss jedoch Vorsorge getroffen werden, dass diese bei Feuchtigkeitsaufnahme oder durch Vibration beim Einbringen des Tiny Houses in den Straßenverkehr nicht absacken können. Ein Dämmverlust im oberen Bereich der Wand wäre die Folge.
3. Wie gestalte ich den Innenraum?
Sind die Fragen zur äußeren Konstruktion geklärt, geht es weiter mit der Gestaltung des Innenraums und der Aufteilung des Wohnbereichs. Gerade bei kleinen Bauten wirkt sich jede Entscheidung in der Planung stark darauf aus, wie sich der Alltag und das soziale Leben im neuen Zuhause gestalten wird. Sind die Wege praktisch? Wie ist die Abstimmung der Funktionen zwischen den einzelnen Räumen? Kann Multifunktionalität genutzt werden? Folgende Fragen sollte man sich im Rahmen der Planung stellen:
- Welche Anforderungen stelle ich an gutes Wohnen, Arbeiten und Entspannen?
- Auf welche Weise(n) möchte ich den Wohnraum nutzen?
- Welche unterschiedlichen Szenarien soll es geben können? Beispielsweise gemütlich auf den Eingangstreppen sitzen, Kaffee trinken und die Natur beobachten oder mit einem Freund gemeinsam kochen oder einfach nur in Ruhe allein am Schreibtisch arbeiten. Welche Situationen werden voraussichtlich auftreten und wie kann ich die Räume entsprechend gestalten?
Aus den Antworten auf diese Fragen ergibt sich der erste Grundriss.
4. Wie gewinne ich Strom, Wasser und Wärme?
Im letzten Punkt geht es darum, wie das Tiny House oder der Holzwohnwagen mit Strom, Wasser und Wärme versorgt werden kann. Zu berücksichtigen ist dabei unbedingt, ob der Wohnraum nur im Sommer oder auch im Winter genutzt werden soll. Nachfolgend einige Vorschläge, wie die Versorgung realisiert werden könnte:
Wärme und Warmwasser:
- Solar-Holz-Zentralheizungssystem (z.B. von Wohnwagon).
Funktionsweise: Wassergeführter Holzofen, Pufferspeicher mit Kopplung an die Photovoltaikanlage, Steuerung - Rauchgaswärmetauscher mit Boiler
- kleiner Holzofen (ohne Warmwasser)
- Gasheizung für Raumwärme und Warmwasser
- Badeofen
- Infrarotheizung (braucht einen externen Stromanschluss)
Frischwasser:
- Regenwasser sammeln und aufbereiten
- Trinkwasserspeicher (z.B. Zisterne oder Teich) mit Filteranlage
- Brunnen
- Externer Anschluss an das Wassernetz
- Trinkwassertank im Wagen
Abwasser:
- Grünkläranlage (auf dem Dach, neben dem Wagen oder als mobile Box)
- Abwassertank zur Entleerung
- Kanalanschluss
Strom:
- Photovoltaik-Anlage mit Batteriespeicher (hier gibt es unterschiedlichste Größen und Sets für große und kleine Budgets, für Sommernutzung und ganzjähriges Wohnen). Hierfür ist eine Berechnung des Energiebedarfs und eine Definition des gewünschten Komforts unabdingbar. Was, wenn der Strom mal nicht reicht? Notfallplan?
- Zusätzliche Kopplung mit Windrad
- Aggregat (Pflanzenölaggregat, Diesel, …)
- Externer Anschluss an das Stromnetz
Das „Tiny Autarkieset“
Im Onlineshop von Wohnwagon findet sich abgesehen davon auch „Autarkiesets“, Selbstbausets für Tiny Houses, Minihäuser und Zirkuswagen mit bereits aufeinander abgestimmten Komponenten. Das Set kostet nur knapp € 10.000 und bietet dennoch eine unabhängige Versorgung mit Strom, Wärme und Wasser. Das ganze Jahr – kostengünstig und unkompliziert. Bei der Installation unterstützt das Team von Wohnwagon durch „Ferncoaching“.
Noch Fragen? Hier gibt es professionelle Tipps vom Experten.
Kommt man beim Bauen mal ins Stocken oder ist sich bei den grundlegenden Fragen doch unsicher, dann bietet Wohnwagon ein individuelles Beratungspaket. Die Erfahrung des Wohnwagon-Teams aus vielen Jahren Wagenbau, kommt dabei Selbstbauern zugute. Bewährt hat sich das 5-Stunden-Coaching, das so abläuft:
- Eine Stunde Vorbereitung und Sammlung der Fragen
- Zwei gemeinsame Stunden Interviewworkshop. Hierbei werden Grundriss, Plan für die Technik und Anmerkungen zum Aufbau entwickelt.
- Zwei Stunden Nachbereitung vom Experten (Schema zeichnen, passende Sets und Produkte zusammenstellen, weitere Fragen per Ferncoaching klären)
Buchtipp: „Eine Muster-Sprache“
Zum Abschluss möchten wir noch einen Buchtipp vom Wohnwagon-Team weiterreichen: „Eine Muster-Sprache“ von Christopher Alexander, et al.
Zentraler Gedanke des Buches ist, dass Architektur dem Menschen dienen soll und nicht dem Ego des Architekten. Indem Architektur unser Sozialverhalten beeinflusst, beeinflusst sie auch und damit unsere Gesellschaft. Planerische Entscheidungen sollten somit auf unsere Bedürfnisse abgestimmt werden.
Das Buch ist als Planungshilfe zu verstehen. Es gibt Antworten auf Fragen wie „Wie gestalte ich Grundrisse? Wie hoch soll eine Fensterbrüstung sein? Wie lege ich einen Platz an? usw. Übertragen werden können die einzelnen „Muster“ auf die sinnvolle Anordnung von Gegenständen auf dem Schreibtisch bis zur Gestaltung ganzer Landstriche.
Bildquellen: Wohnwagon, stockcreations/shutterstock.com (Bild 3), Löcker-Verlag (Bild 6)