Ratgeber Bauen:
Das Dach als prägendes Element

Der Gesamteindruck eines Hauses entsteht vor allem durch die Dachform, die Proportionen des Gebäudes, die Fassadengestaltung und die Baumaterialien. Aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren ergeben sich die in der Infografik von Homeday illustrierten „5 prägendsten Häuserstile in Deutschland“.

baustile-deutschland

Auch wenn die Fassadengestaltung gerne dem jeweiligen, viel diskutierten Zeitgeist angepasst wird – man denke an die Eternitplatten-Manie in den 70er Jahren, genauso wie an den Ökotrend der letzten Jahre mit seinen Holzverschalungen oder den Isolierungswahn mit Ziel „Niedrigenergiehaus“ – trotz allem wird die Dachform dauerhaft den Charakter des Gebäudes prägen.

Bei den Dächern, der von Homeday vorgestellten Beispiele für die fünf Hausstile, handelt es sich um ein

  • Satteldach (typisch für ein Fachwerkhaus)
  • Zwerchdach (typisch für ein Friesenhaus)
  • Mansarddach (typisch für ein Niederdeutsches Hallenhaus)
  • Walmdach oder Satteldach mit freiem bzw. Treppengiebel (typisch z.B. für ein Hamburger Altstadthaus)
  • Krüppelwalmdach (typisch für ein Bayerisches Landhaus)

Hinzu kommen weitere, prägnante und weit verbreitete Dachformen (die auch beim Design von Minihäusern Anwendung finden):

  • Pultdach und Schleppdach
  • Flachdach

Schauen wir uns die einzelnen Dachformen, ihre Umsetzung in der Tiny-House-Szene und die charakteristischen Merkmale der jeweiligen Dachform nun genauer an:

Satteldach

Das Satteldach ist hierzulande der Klassiker schlechthin. Schon kleine Kinder zeichnen Häuser mit dieser Dachform. Variationen des Satteldachs entstehen (außer durch das Material zur Dachdeckung) durch den Einbau von Gauben und die unterschiedliche Dachneigung – bei einer Dachneigung unter 30° spricht man übrigens von einem „flachen Satteldach“, ab 45° von einem „Neudeutschen Dach“, bei 60° spricht man von einem „Altfränkischen oder Altfranzösischen Dach“ und ab 62° von einem „Altdeutschen Dach“. Aspekte, die für das Satteldach sprechen, sind der einfache Aufbau und die große Stabilität.
Auf dem Pocket Shelter von Aaron Maret wurde die moderne Version eines Satteldachs – und zwar ohne Dachüberstand – installiert:

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Zwerchdach

Unterscheiden lässt sich das Zwerchdach von einem Satteldach mit Gaube dadurch, dass der sogenannte Zwerchgiebel in der Flucht der Hauswand steht – die Hauswand geht also in die Front des Giebels über, im Gegensatz zur Gaube, die im bzw. auf dem Dach sitzt. Das ähnelt insofern mehr dem Kreuzdach, bei dem es ebenfalls (statt an lediglich zwei Hausseiten) an drei oder vier Hausseiten Giebel gibt. Jedoch liegt der First des Zwerchgiebels niedriger als der Hauptfirst des Hauses.
Das Tiny House Essen’Ciel von Baluchon etwa ist mit einem Zwerchgiebel versehen:

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Mansarddach

Sowohl ein Walm- als auch ein Satteldach kann als Grundlage für den Entwurf eines Mansarddachs (auch Mansardendach genannt) dienen; demzufolge wird zwischen einem Walm-Mansarddach und einem Sattel- oder Giebel-Mansarddach differenziert. In beiden Fällen verlaufen die Dachflächen im oberen Bereich vom First aus ganz normal schräg nach unten, um dann abzuknicken und erheblich steiler bis runter zur Traufe zu führen.
Die Geschichte der Mansarddächer geht auf den Architekten des Louvre, Pierre Lescot, zurück, der diese raumschaffende Dachform bereits im 16. Jahrhundert erstmalig verwirklichte. Die französischen Architekten François Mansart und sein Großneffe Jules Hardouin-Mansart griffen diese Idee auf und verhalfen ihr durch ihre Prachtbauten zunächst in Paris zu enormer Popularität. Hintergrund dieser architektonischen Erfindung war das französische Steuerrecht: Die Grundsteuer wurde zu dieser Zeit nach Vollgeschossen bemessen. In das Mansarddach konnte ohne steuerliche Berücksichtigung ein voll nutzbares Dachgeschoss eingebaut werden. Auch heute noch wird die (im Gegensatz zu einem Satteldach) bessere Nutzungsmöglichkeit des Dachgeschosses als Vorteil geschätzt. Nachteilig ist die schlechte Ausgangslage zur Nutzung von PV-Anlagen, die komplexere Dachkonstruktion und die daraus folgenden höheren Herstellungskosten.
Das Runaway Shanty schmückt ein geräumiges Mansarddach:

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Walmdach und Krüppelwalmdach

Als Walmdach wird ein Satteldach mit geneigten Giebelflächen (Walm) bezeichnet. Es reduziert die Angriffsmöglichkeit von Wind und Wetter und wird daher gerne im alpinen Raum sowie an der Küste verwendet. Diese Dachkonstruktion wirkt robust und imposant. Von einem Krüppel-, Halb- oder Schopfwalm spricht man, wenn der Walm nicht bis zur Höhe der Traufe (d.h. bis zur Höhe der Dachrinne) heruntergezogen ist, der Giebel also nicht völlig abgewalmt ist und somit ein trapezförmiger Restgiebel erhalten bleibt. Das Krüppelwalmdach wirkt anmutiger, weniger massig als ein Walmdach, und lässt durch das Mehr an Wandfläche auf der Giebelseite mit Einbau von Fenstern mehr Lichteinfall unter dem Dach zu.
Dieses Tiny House der Tiny House Manufaktur in Köln ist mit einem Krüppelwalmdach mit Gaube versehen:

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Pultdach und Schleppdach

Theoretisch ist das Pultdach ein längs halbiertes Satteldach. Auch hier wird die obere Kante als First bezeichnet, die untere Kante, an der die Regenrinne befestigt wird, ist die Traufe. Vorteil des Pultdachs (im Gegensatz zu Dächern mit zwei Dachschrägen) sind die geringeren Raumeinbußen. Im Vergleich zu Flachdächern punkten Pultdächer durch einen geringeren Wartungsbedarf, da Regenwasser gut abfließen kann und das Risiko von Leckagen gering ist.
Die Ursprünge der Pultdächer liegen im industriellen Architekturbereich. So wurden vor allem Lagerhallen mit Pultdächern konzipiert. Auf Fabrikhallen mit größeren Grundflächen wurden pultdachartige Aufbauten zu sogenannten Shed- oder Sägezahndächern aneinander gereiht. In den vergangenen Jahren setzten sich Pultdächer – aufgrund ihrer Eignung zur Installation von PV-Anlagen – zunehmend auch beim privaten Hausbau durch.
Das Schleppdach ist ein Pultdach, das entweder die Dachfläche des Haupthauses über einem Anbau nahtlos verlängert – das Hauptdach wird somit in diesem Bereich über seine Traufe erweitert – oder als Vordach angesetzt wird. Optisch werden Anbauten mittels eines Schleppdaches – besonders wenn die Dachneigung einheitlich fortgeführt wird – harmonisch integriert. Im modernen Hausbau werden Schleppdächer auch bei der Konstruktion von Carports verwendet.
Hier ein Beispiel für ein Tiny House mit Pult- und Schleppdach – ein Tiny House der Tischlerei Bock:

bock-tiny-house-pultdach

Flachdach

Ein Flachdach ist, wie der Name schon sagt, flach – zumindest fast: Bewährt hat sich ein Neigungswinkel von 2°-3° um Wasserschäden vorzubeugen. Flachdächer können begrünbar und begehbar angelegt und somit auch als Dachterrasse genutzt werden. Ein weiterer Vorteil eines Flachdaches ist, dass die darunter liegende Etage nicht durch Dachschrägen eingeschränkt und so eine optimale Raumnutzung z.B. mit Stellmöglichkeiten für Schränke möglich wird. Durch den Einbau normaler Fensterflächen ergibt sich außerdem eine bessere Versorgung mit Tageslicht als in Räumen mit Dachschrägen. Im Wohnhausbereich hat sich diese Dachform mit den kubischen Bauten im Bauhaus-Stil etabliert.
Das Basecamp Tiny House von Backcountry Tiny Homes ist teilweise mit einem Pultdach und Photovoltaikmodulen, teilweise mit einem Flachdach und aufgesetzter Dachterrasse versehen:

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Bildquellen: Homeday (Bild 1 / Infografik), Aaron Maret (Bild 2),  Tiny Home Builders (Bild 3), Runaway Shanty (Bild 4), Tiny House Manufaktur (Bild 5), Tischlerei Bock (Bild 6), Backcountry Tiny Homes / Patrick Treadway Photography (Bild 7).

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