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4 grundsätzliche Überlegungen
VOR dem Häuschenkauf

Tiny Houses, also die ganz kleinen, mobilen Häuschen, haben dieses Jahr viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten – sei es von Medienseite, wie auch von Seiten der Häuslebauer in spe, die darin eine günstige (und je nach Budget einzige) Chance für Wohneigentum sehen. Nun sollte man an die Realisierung des Traums vom eigenen Häuschen nicht zu schwärmerisch, sondern möglichst pragmatisch herangehen. Zu allererst sollte man sich folgende grundsätzliche Fragen stellen und ehrlich beantworten:

1. Muss mein Häuschen unbedingt mobil sein?

Tiny Houses werden gerne als „eierlegende Wollmilchsau“ gesehen, also als Häuschen in denen man „ganz normal“ wohnen, ggf. aber auch auf Tour gehen, die man aber zumindest bei Bedarf hinter das Auto spannen und an einen anderen Ort transportieren kann. Da Letzteres prinzipiell zwar stimmt, aber wesentlich aufwendiger ist, als bei einem Wohnwagen und immerhin auch ein passendes Zugfahrzeug vorhanden sein muss, stellt sich die Grundsatzfrage „Soll mein Zuhause mobil sein?“ und wenn ja, „Stehen die Einschränkungen, die ein Tiny House mit sich bringt, tatsächlich dafür?“
Die Mobilität von Tiny Houses kann folgende Erschwernisse gegenüber einem feststehenden Häuschen mit sich bringen:

  • Adäquates Transportmittel: Wenn man das Häuschen selbst zu transportieren gedenkt, braucht man eine kräftige Zugmaschine (d.h. einen SUV, einen Transporter, einen Pickup o.ä.). Mit dem eigenen Pkw ist es also in der Regel nicht getan. Mit dem Tiny House auf Tour zu gehen ist in Europa, mit den relativ engen Straßen, kleinen Parkplätzen etc. sehr gewöhnungsbedürftig. Die meisten „Tinyhouser“ werden sich also auf stationäres Wohnen beschränken. Das Häuschen bei Wohnortwechsel an einen neuen Standort transportieren zu können, wäre wiederum kein Privileg der Tiny Houses – das geht auch bei Wohnmodulen per Tieflader und Autokran.

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  • Eingeschränktes Angebot an Stand- bzw. Bauplätzen: Wer ohnehin nicht aus dem gewohnten Lebensumfeld wegziehen möchte, für den ist die Suche nach einem kleinen, günstigen Altbestand oder der Kauf eines konventionellen Wohnmoduls möglicherweise die bessere Alternative. Denn: Beim Kauf eines Altbestandes spart man sich (sofern keine Umbaumaßnahmen geplant sind) den Gang zum Bauamt – und für die auf dem Markt gut etablierten Wohnmodule ist in der Regel problemlos eine Baugenehmigung zu erhalten (die meisten Hersteller sind ohnehin dabei behilflich). Der Hauptgrund dafür, dass Baugenehmigungen für Tiny Houses versagt werden können, liegt bei Bauvorhaben im Innenbereich der jeweiligen Gemeinde vor allem darin, dass sich Tiny Houses durch ihre geringe Größe potentiell nicht ausreichend in das Ortsbild einfügen. Auf jeden Fall sollte die Frage des letztendlichen Standplatzes VOR dem Erwerb eines Tiny Houses geklärt sein, denn irgendwo in die freie Natur darf man ein Tiny House bei uns in der Regel nicht stellen.

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2. Wieviel Platz benötige ich (ggf. mit Partner/Familie)?

Tiny Houses mit ihren 6,5 – 20 qm Wohnfläche sind buchstäblich sehr klein. Dies kann schon für eine Einzelperson eine Herausforderung sein, wenn aber weitere Personen mit einziehen sollen, ist zu bedenken, dass es in einem Tiny House keine Rückzugsräume mit tatsächlicher Privatsphäre gibt. Das Wohngefühl, das Tiny Houses vermitteln, sollte unbedingt gemeinsam mit den Personen, die mit einziehen wollen, vor einer Kaufentscheidung erfahren werden.
Auch wenn das Budget knapp ist: Im Hinblick auf das individuelle Raumbedürfnis ist es nicht ratsam, eine Kopf-über-Bauch-Entscheidung zu treffen. Im Netz gibt es nicht nur enthusiastische Erfahrungsberichte von Tinyhousern, sondern auch einige Erzählungen über das Zerplatzen des Tiny-House-Traums nach dem Einzug.
Wer sich nicht vorstellen kann, zu zweit oder dritt in so einem winzigen Domizil zu leben, an seinem Tiny-House-Traum jedoch festhalten will, für den sind möglicherweise Cohousing-Initiativen oder (wünschenswerterweise zukünftig entstehende) Tiny-House-Siedlungen das Richtige.

3. Reicht mein Budget?

Das Budget, das zur Realisierung des Tiny-House-Traums nötig ist, sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden. In unserem Blogartikel „Was kostet ein Minihaus?“ hatten wir schon einem darauf hingewiesen, dass die Annahme „Kleines Haus, kleines Geld“ meist nicht in der Weise zutrifft, wie es Kaufinteressenten erwarten: Im Vergleich zum Gesamtpreis von größeren Objekten mit gleicher Ausstattung geht diese Rechnung natürlich auf, der Quadratmeterpreis kleiner Häuser liegt – da die Hauptkosten beim Hausbau bereits mit den ersten Quadratmetern Wohnfläche entstehen – jedoch in der Regel wesentlich höher, als der größerer Häuser. Und je kleiner das Haus, desto höher der Quadratmeterpreis. So sind die meisten Kaufinteressenten für Minihäuser enttäuscht, sobald Preise genannt werden:
Bei Tiny Houses on Wheels beginnen die Anschaffungskosten für eine schlüsselfertige Ausführung bei etwa € 40.000. Dazu kommt – sofern Sie kein bebaubares Pachtgrundstück für Ihr Tiny House finden – der Kaufpreis für ein Grundstück und ggf. Erschließungskosten (auch im Falle autarker Tiny Houses).

An dieser Stelle kann sich die Frage stellen, ob nicht vielleicht doch der Erwerb eines „Schnäppchenhauses“ günstiger sein kann. Die verschiedenen Optionen wollen gut durchdacht sein: Einerseits wird derzeit soviel vererbt wie nie, weshalb auch viele kleine Häuser auf den Markt kommen. Andererseits ist deren Bausubstanz oft so marode, dass sie nicht mehr oder nur mit viel finanziellem Einsatz erhaltenswert sind. Bauherren unterschätzen gerne den Aufwand und gerade, wenn das Häuschen Charme hat, kommt es zu eher emotional begründeten Kaufentscheidungen. Der Fernsehsender RTL hat diesem Umstand mit der Dokusoap „Schnäppchenhäuser – Der Traum vom Eigenheim“ Rechnung getragen.

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Wer meint, ein Schnäppchenhaus entdeckt zu haben, sollte vor dem Kauf zur Begutachtung unbedingt einen Bausachverständigen hinzuziehen. Und selbst wenn die Bausubstanz noch gut ist, müssen Kosten für eventuell neue Fenster und Türen bis hin zum Innenausbau realistisch kalkuliert werden. Ein Bausachverständiger kann mit einer Wärmebildkamera „Wärmelecks“ durch Wärmebrücken oder fehlende Wärmeschutzverglasung feststellen.

Für den Innenausbau lässt man sich, um eine realistische Preisvorstellung für die Kosten, die der Hauskauf nach sich zieht, zu erhalten, am besten ein Angebot ortsansässiger Handwerksbetriebe unterbreiten. Auch wenn der Ausbau in Eigenregie geplant ist, sollten nicht nur die Materialkosten, sondern auch die eigene Arbeitskraft und -zeit einkalkuliert werden.

4. Wieviel handwerkliches Können und zeitliche Kapazität habe ich?

Ob Bau-, Sanierungs- oder Renovierungsarbeiten in Eigenregie durchgeführt werden können, hängt natürlich von den persönlichen Fähigkeiten und einschlägigen Erfahrungen sowie von den zeitlichen Kapazitäten ab. So manche Bauherrenfamilie hat die Belastung unterschätzt und sich damit unnötigem psychischen Druck ausgesetzt: Sei es, dass sich die Arbeiten an dem neu erworbenen, noch nicht bewohnbaren Haus unerwartet in die Länge zogen und das Ende des gekündigten Mietvertrages für das bisherige Domizil allzu rasch näher rückte, oder dass in das neue, eigentlich noch renovierungsbedürftige Haus bereits eingezogen wurde und diese provisorische Lage zum Dauerzustand mutierte. Die Kostenersparnis kann unvermutet heftig an den Nerven zerren.

Wägen Sie also alle Aspekte gut gegeneinander ab und warten Sie im Zweifelsfall auf eine (noch) günstigere Kaufgelegenheit!

Bildquellen: Tammy Strobel/rowdykittens.com (Bild 1), mycubig.com (Bild 2), Valery Hristov (Bild 3), luctheo/pixabay.com (Bild 4)

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